Es war eine der größten Polizeifahndungen der vergangenen Jahre - und sie nahm ein blutiges Ende. Eine Woche lang narrte der mutmaßliche Mörder Raoul Moat die britische Polizei. Als sie ihn aufstöberte, erschoss er sich nach stundenlangen Verhandlungen. Rekonstruktion einer Verfolgungsjagd.
Sieben Tage sind vergangen seit Raoul Moats Flucht, da nehmen die Ereignisse im nordenglischen Rothbury eine dramatische Wendung. Freitag, 19.30 Uhr Ortszeit: Die Polizei weist die Anwohner an, nicht mehr auf die Straße zu gehen und die Türen abzuschließen. Die angereisten Reporter werden im Ortszentrum festgehalten.
Augenzeugen berichten telefonisch aus ihren Häusern, Scharfschützen hätten einen Mann am Flussufer umzingelt. Er halte sich ein abgesägtes Gewehr unters Kinn. Die Polizei versuche ihn davon abzubringen, sich damit zu töten.
Schnell steht fest: Der Mann ist Raoul Thomas Moat, 37, Bodybuilder, gerade aus dem Gefängnis entlassender Ex-Türsteher und flüchtiger mutmaßlicher Mörder - der meistgesuchte Mann Großbritanniens in diesen Tagen.
Stundenlang dauern die Verhandlungen mit der Polizei. Moat sagt laut "Guardian" mehrfach: "Niemand kümmert sich um mich." Ein Freund wird herbeigeholt. Er kann den Mann nicht beruhigen.
Es ist 1.10 Uhr an diesem Samstagmorgen, strömender Regen geht hernieder auf Rothbury, als sich Moat erschießt.
Polizisten eilen herbei, er wird noch mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gefahren - und dort für tot erklärt. Das blutige Ende einer Verfolgungsjagd, die eine gute Woche lang Großbritannien in Atem gehalten hat.
"Jetzt schaut, was passiert"
Das Drama hat am Donnerstag vor zehn Tagen begonnen, als Moat aus dem Gefängnis in Durham entlassen wurde. 18 Wochen lang hatte er dort wegen Körperverletzung eingesessen. Auf Facebook schrieb er: "Bin gerade raus aus dem Gefängnis, ich habe alles verloren, mein Business, mein Vermögen, und als Krönung ist mein Mädchen mit einem anderen durchgebrannt." Er fügte hinzu: "Jetzt schaut, was passiert."
Am Samstag traf er seine Ex-Freundin Samantha Stobbart, 22, verletzte sie mit einem Schuss und tötete ihren neuen Freund Chris Brown, einen 29-jährigen Karate-Trainer, mit einem Kopfschuss.
Am Sonntagmorgen schoss er den Polizisten David Rathband, 42, an, der in Newcastle in seinem Polizeiwagen saß. Zweimal rief Moat die Notrufnummer 999 an und gestand. Als Motiv gab er Wut über seine Ex-Freundin an, die sich mit ihrem neuen Freund über ihn lustig gemacht habe. Dann tauchte er unter, und die Polizei startete eine der größten Fahndungen der vergangenen Jahre.
Moat setzte mehrere Nachrichten ab. Der 1,90 Meter große kräftige Mann kündigte an, aus Wut jeden Polizisten zu töten, den er sehe. Am Montagmorgen spielte er der Polizei über einen Mittelsmann einen 49-seitigen Brief zu, in dem er ihr den "Krieg" erklärte. Die Sicherheitskräfte zogen ein Sperrgebiet und weiteten ihre Fahndung aus. Einheiten aus dem ganzen Land wurden in die ländliche Gegend nördlich von Newcastle verlegt. Hundertschaften durchkämmten Waldgebiete und stürmten leerstehende Gebäude. Panzerfahrzeuge aus Nordirland, Hubschrauber, Hunde, ein Suchflugzeug der Royal Air Force - das Aufgebot war gewaltig. Doch es half nichts, die Polizisten kamen immer einen Schritt zu spät. Mal fanden sie die Spuren eines Lagerfeuers, mal ein verlassenes Zelt, nie aber Moat selbst.
Er nannte sich selbst einen "Irren"
Der Gesuchte fühle sich in der Natur offensichtlich wohl und wisse zu überleben, teilte die Polizei in ihren täglichen Pressekonferenzen mit. Der freilaufende "Irre" (so hatte sich Moat selbst beschrieben) beunruhigte die Bevölkerung. Bald wurde Kritik an der Polizei laut.
Am Montagabend soll Moat einen Fish-and-Chip-Imbiss in der Nähe von Blyth überfallen und 70 Pfund erbeutet haben - am Dienstag wurden zwei Männer festgenommen, die ihm bei der Tat geholfen haben sollen. Einer der beiden, Bodybuilder-Kumpel Karl Ness, soll Moat zum Tatort gefahren haben. In dem Zelt, das die Polizei entdeckte, lag auch ein achtseitiger Brief an Ex-Freundin Samantha, dessen Inhalt nicht öffentlich gemacht wurde.
Am Mittwoch erklärte Moats 63-jährige Mutter Josephine öffentlich, ihr Sohn wäre "besser tot". Sie erkenne ihn nicht wieder. Sie seien sich schon fremd, seit er 19 war.
Auf eine heiße Spur kam die Polizei dann, als Bewohner von Rothbury berichteten, sie hätten den mutmaßlichen Mörder kurz vor Donnerstag Mitternacht die High Street entlang spazieren sehen. Am Freitagmorgen schaltete sich die Royal Air Force in die Suche ein, eine Militärmaschine suchte mit Infrarot-Kameras die Gegend ab. Am Abend dann das erste Aufeinandertreffen zwischen Verfolgern und Verfolgtem: Moat wurde nahe des Flusses gesichtet.
Paul Gascoigne soll seine Hilfe angeboten haben
Er warf sich laut "Guardian" sofort auf den Bauch und hielt sich das Gewehr unters Kinn. Rund 20 Scharfschützen richteten ihre Waffen auf ihn.
Britische Medien berichten, dass in den folgenden Stunden auch noch der englische Ex-Nationalspieler Paul "Gazza" Gascoigne angeblich alkoholisiert an der Polizei-Absperrung auftauchte. Er habe behauptet, er sei ein Freund von "Moatie" und wolle vermitteln - sei aber nicht vorgelassen worden.
Bewohner des Dorfes zeigten sich überrascht, wie lange sich Moat in unmittelbarer Nähe vor 200 Polizisten verstecken konnte. Offensichtlich hatte er sich nur wenige hundert Meter vom Ortskern entfernt.
Gerüchten zufolge hatte er mehrere Helfer. Insgesamt wurden in der Woche sechs Personen festgenommen, die ihn bei der Tat und dem anschließenden Versteckspiel unterstützt haben sollen.