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Wien - Für den österreichischen Fußball war es eine der schwärzesten Stunden.Das 275. Wiener Derby wurde von Ausschreitungen und Festnahmen überschattet. 300 Polizeibeamte und 140 Security-Kräfte verhinderten Schlimmeres.
Rapid-Sieg mit schalem Beigeschmack
Der 2:0-Erfolg war Rapids erster Derby-Sieg im Horr-Stadion seit 19 Jahren. Drei Punkte mit extrem schalem Beigeschmack, denn Szenen vor und nach dem Spiel machten aus dem sportlichen Vergleich der Stadtrivalen ein Derby der Schande.
Ein Teil der Rapid-Fans wollte Richter und Henker sein, der Hass richtete sich gegen Austria-Keeper Joey Didulica. Beim letzten Wiener Derby am 26. Mai hatte Didulica Rapid-Stürmer Axel Lawaree brutal gefoult.
Totenanzeige für Austria-Torhüter
Didulica wurde, nachdem ihm der Belgier wie angekündigt den Handschlag verweigert hatte, auf dem Weg ins Tor mit Leuchtraketen und bengalischen Feuern beschossen. Ironie des Schicksals: Eine Leuchtrakete traf dabei Lawaree.
Außerdem hatte der Rapid-Anhang ein Transparent im Stile einer Totenanzeige mit der Aufschrift "Joseph Anthony Didulica 14.10.1977 - 22.10.2005! Kommando 26. Mai" mitgebracht. Und eine Gummipuppe, die mit Didulica-Dress ausgestattet am Galgen baumelte.
"Bei solchen Transparenten hört sich alles auf. Das hat mit Fußball nichts zu tun", zeigte sich Austria-Trainer Peter Stöger entsetzt.
"Wollten ein Zeichen gegen radikale Szene setzen"
Schon die Anreise ins Horr-Stadion sorgte bei Stöger für ein mulmiges Gefühl. "Wir mussten durch den Hintereingang über eine abgesperrte Fabrik ins Stadion fahren, wurden von vier Polizeiautos eskortiert."
Die Partie konnte erst mit einer halbstündigen Verspätung angepfiffen werden.
Den Rapid-Vorschlag, Didulica in beiden Halbzeiten vor der Westtribüne spielen zu lassen, lehnten die Austria-Verantwortlichen ab.
"Wir wollten ein Zeichen gegen diese radikale Szene setzen, denn irgendwann ist das Maß voll", so Stöger, der aber doch eine Sekunde darüber nachdachte, ohne Didulica zu spielen.
Anzeigen, Verhaftung und Stadionverbote
Die Polizei hatte Schwerstarbeit zu verrichten, versuchte die aufgebrachte Menge im Zaum und vor allem hinter dem Zaun zu halten. Bilanz nach dem Schlusspfiff: eine Verhaftung und eine Flut von Anzeigen.
Jenen Fans, die das Transparent gegen Didulica und den Galgen samt Puppe ins Stadion brachten, droht ein gerichtliches Nachspiel. Sie werden wegen schwerer Drohung angezeigt.
Und es wird Stadionverbote hageln. Denn neben der Videoüberwachung vom Tribünendach aus filmte auch die Doku-Gruppe der Polizei. "Wir werten die Videoauszeichnungen aus, dann werden wir weitersehen", so ein Sprecher der Wiener Polizei.
"Habe mit dem Schlimmsten gerechnet"
Schiedsrichter Konrad Plautz, dem von allen Beteiligten souveränes Krisenmanagement bescheinigt wurde, sorgte sich nach dem Spiel vor allem um den Ruf des österreichischen Fußballs.
Drei Jahre vor der Heim-EM blieb der Sport im Schatten des Fanatismus auf der Strecke. "Bisher habe ich so ein Spiel noch nicht erlebt, aber wir haben mit dem Schlimmsten gerechnet."
Der materielle Schaden beläuft sich auf rund 15.000 Euro. Der Image-Schaden, der dem österreichischen Fußball zugefügt wurde, ist jedoch kaum zu ermessen.