FC 05: In 17 Monaten an die Wand gefahren
Schweinfurt (19.10.2004) - Der FC 05 ist noch nicht tot, aber so richtig am Leben eigentlich auch nicht mehr. So könnte das Fazit nach der außerordentlichen Vereinsversammlung am Montagabend lauten, zu der sich 199 Mitglieder eingefunden hatten. Zu Beginn der gerade einmal 90-minütigen Veranstaltung prasselte strömender Regen auf das Dach des brechend vollen V.I.P.-Zeltes, so als ob die Grün-Weißen von einer höheren Macht weggespült werden sollten.
Wie sich in den letzten Tagen schon andeutete, so stellte sich beim Tagungspunkt Neuwahlen niemand für das Amt des Präsidenten zur Verfügung. Auch der vorgeschlagene Edgar Gleinser nicht, der mit folgenden Worten ablehnte: "Das ehrt mich zwar, und meine Liebe zum Verein reicht auch sehr weit. Aber bei den Zahlen ist das unzumutbar!"
Diese "Zahlen" präsentierte Gleinser zuvor den Mitgliedern. 2.032.000 Euro beträgt der aktuelle Schuldenstand des FC 05, 2,15 Millionen dürften es bis Monatsende sein. 910.000 Euro sind noch offen für den laufenden Spielbetrieb bis zum Ende der Saison. Der Etat, den Gerhard Hertlein auf über eine Million Euro festsetzte, war laut Gleinser gerade mal zu 15 bis 20 Prozent abgedeckt.
Alle Versuche, mit dem am 23. September zurück getretenen Präsidenten Hertlein zu reden, brachten keinen Erfolg. Selbst die eingeschalteten Politiker wie Dr. Hans-Gerhard Stockinger, Gerhard Eck oder gar Michael Glos hatten keinen Einfluss. Am Montag versuchte das Zukunftsteam nochmals bis 18 Uhr, Hertlein davon zu überzeugen, auf sein Darlehen zu verzichten. Einen Zusatzbetrag an Schulden hätte der 60-Jährige zudem übernehmen sollen, um aus der Haftung zu gelangen. Es ging um eine Million Euro. Ein sinnloses Unterfangen. 380.000 Euro rechnete Gleinser als akute Schulden nach einem Verzicht aus, wenn die vielen Gläubiger den Sanierungsplan akzeptiert hätte. Doch Hertleins Sturheit verhinderten diese Reduzierung auf ein überschaubares Maß, das Gleinsers Kandidatur als Präsident zur Folge gehabt hätte.
"Hängt den Hertlein auf!", rief ein Mitglied während der Versammlung. "Ja, aber am höchsten Baum", lautete eine weitere Forderung, die den geballten Unmut ausdrückte und das Entsetzen über den Verantwortlichen der letzten Jahre, der den Verein ganz offensichtlich durch "völlige Beratungsresistenz" (Gleinser) an die Wand gefahren hat. "Wieder ein Wisch für den Papierkorb", so soll Hertlein die Schreiben des Sanierungsteams kommentiert haben. "Wir haben alles versucht, um ihm eine Goldene Brücke zu bauen", berichtete Edgar Gleinser. Politiker, Rechtsanwälte und sogar sein Freund Djuradj Vasic hätten in Gesprächen Hertlein überzeugen wollen, dass ein stilvoller Abgang für ihn möglich ist. Doch der Ex-Präsident lenkte nicht ein, ließ Post über Monate bei sich ungeöffnet liegen und es so weit kommen, dass Forderungen von Spielern, Berufsgenossenschaft, Finanzamt, Krankenkasse, Dienstleister und Lieferanten aufliefen. Nicht gezahlte Miete für die Geschäftsselle führte zu einer Räumungsklage, Autos für Spieler und Trainer wurden abgeholt, die städtische Sparkasse sperrte Ende Juni das Konto. "Dieser Liquiditätsentzug hat uns den Rest gegeben", so Edgar Gleinser, der von 48.000 Euro Verlust von Hertleins "Sport Media GmbH" berichtete. Diese verteidigte der Ex-Präsident bis zuletzt als Vermarktungsmöglichkeit, die den Verein aus seiner Sicht hätte retten können.
Dass Hertlein mit Jochen Haberle, der mittlerweile einen persönlichen Offenbarungseid geleistet haben soll, letztes Jahr eine bis dato völlig unbekannte Person präsentierte, die als Vizepräsident durch dubiose Aktionen dem Verein nachweislich nur schadete, war auch ein Thema bei der Versammlung am Montag. "So etwas gibt es in keinem anderen Traditionsverein...", schüttelte der Ex-Vorsitzende Peter Galm den Kopf und gab die Schuld an die Mitglieder weiter, die damals ja Haberle und auch den mittlerweile zurück getretenen Schatzmeister Johannes Laudensack wählten. "Wir werden dafür sorgen, dass diese Herrschaften in die Verantwortung gezogen werden. Sie kommen aus der Haftung nicht heraus", kündigte Gleinser an, der auch andeutete, dass es wohl Unregelmäßigkeiten bei der Abführung von Lohn- und Umsatzsteuer gab. Dass der Gesamtbeirat, den Hertlein ohnehin als unliebsames Organ sah, keine Kontrollmöglichkeiten und wenig Einfluss hatte, wurde am Montag von mehreren Seiten aus bestätigt. "Innerhalb von 17 Monaten wurde der Verein an die Wand gefahren", bestätigte Gleinser in diesem Zeitraum eine Verdoppelung der Schulden, die das Sanierungsteam erst Mitte Oktober halbwegs genau beziffern konnte, "denn wir haben vier Mal neue Zahlen bekommen. Und jedes Mal waren sie etwas schlechter..." "Legen sie 50.000 Euro drauf" oder "verdoppeln sie die Zahlen" hätten die Helfer immer wieder gehört bei ihren Nachfragen bei Gläubigern, um deren Forderungen zu erfahren. "Wir haben uns so manche Nacht um die Ohren geschlagen", berichtete Edgar Gleinser über die viele Arbeit, die ein Mitglied auch leicht negativ auslegte. Denn so brannte nachts in der Geschäftsstelle das Licht. Und das kostet ja auch Geld....
Nun muss das Zukunftsteam den bitteren Weg zum Amtsgericht gehen. Das bestimmt dann einen Notvorstand. "Der wird aus den Zahlen seine Konsequenzen ziehen", beschreibt Stefan Funk, der Sprecher des Teams das weitere Vorgehen. Sollte auch der Notvorstand fruchtlose Gespräche mit Hertlein führen, bleibt dem FC 05 die Insolvenz wohl nicht erspart. Für das Bayernligateam hätte das schon in Bälde die Folge, dass man mit null Punkten auf den letzten Platz zurück fallen und während eines Insolvenzverfahrens die Runde außer Konkurrenz weiter spielen müsste. Schon kommenden Samstag in Weiden könnte das im schlimmsten Fall soweit sein....
Als erster Absteiger in die Landesliga stünden die Schnüdel dann fest. Zumindest würden dann aber während des Verfahrens die Spieler (Gleinser: "manche können sich momentan nicht mal mehr Sprit kaufen") vorüber gehend wieder Gelder erhalten. Rund 1.000 Euro sammelten die Mitglieder am Montagabend unmittelbar nach Ende der Versammlung für die Mannschaftskasse. Ein Tropfen auf den heißen Stein. "Wir sind genauso schlau wie vorher, würden gerne wissen, wie es mit dem Spielbetrieb weiter geht, ob wir jetzt überhaupt noch trainieren und spielen müssen", hätte sich Kapitän Bernd Winter ("ich fühle eine große Leere") exaktere Antworten auf die Frage nach der Zukunft erwartet. Die werden folgen. In den nächsten Tagen schon.
(Michael Horling)
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